Seit ihrer EP "The Nameless Fallen" von 2013 hat sich abgesehen von einem Besetzungswechsel hinterm Schlagzeug wenig im Lager von KÜENRING getan. Die Österreicher wagen nach "Death Awaits", einem weiteren Kurzformat, eine erstmalige Standortbestimmung in Albumlänge und profitieren davon, aus einem größeren Pool guter bis starker Kompositionen schöpfen zu können. Bei einem Teil des Materials auf "Küenring" handelt es sich um Zweitverwertetes, doch das ist angesichts der Qualität von beispielsweise 'Streetfight' überhaupt keine Schande.

Die vier jungen Männer machen mit den ersten zwei Tracks gehörig Tempo, ehe 'Odyssey' beschwingt übers Schlachtfeld flaniert wie neuere Manowar und deshalb eher als durchwachsen im Gedächtnis bleibt (oder schnell vergessen wird). Das Intro 'Dawn' weckt später Assoziationen zu den Einleitungen der ersten beiden Iron-Maiden-Alben, ehe sich 'Hounds Of Küenring' als passend betitelte Bandhymne herausstellt.

Der zweite Semi-Longtrack 'Rise Of The Madman' steht ebenfalls in der Tradition der britischen Jungfern, wenn man an Mini-Epen wie 'To Tame A Land' oder 'Alexander The Great' denkt. Jenes himmelhaushohe Niveau erreichen KÜENRING zwar natürlich zu keiner Zeit, doch wir greifen zu weit vor. Die aufwändig arrangierten acht Minuten von 'The Unknown', das teils akustische 'Autumn' und die generelle Lead-Freudigkeit der beiden Gitarristen lassen immerhin höhere Ambitionen für die Zukunft des Quartetts erahnen.

Bassist und Sänger Stefan Gutenthaler gibt sich in keiner Lage die Blöße und ist zwar kein sonderlich ausdrucksstarker Frontmann, erfüllt jedoch seinen Zweck als Massenanimateur, denn für einen solchen scheinen die Songs der Band geschrieben worden zu sein. Dabei lässt sie sich sich so schlau "inspirieren", dass man eigentliche Zitate kaum mehr als solche erkennt.

Die nicht allzu verbissen auf alt getrimmte Produktion funktioniert in ihrer Transparenz einfach wunderbar und entzieht sich sowohl Loudness-Vorwürfen als auch bösen Stimmen von Lo-Fi-Kritikern, denen die Hose nicht dick genug sein kann. Klappt aber sowieso schlecht bei wahlweise Leder oder Stretchjeans …

FAZIT: Klug entlehnt ist halb gewonnen, zumindest im klassischen Metal bereich, und dort geben KÜENRING mit ihrem Langspiel-Debüt ein hervorragendes Bild ab. Man mag die optische Inszenierung kitschig und den historischen Bezug auf die österreichische Heimat der Gruppe bemüht finden, doch an ihrer stark NWoBHM-beeinflussten Musik lässt sich nicht rütteln, wenn man als Hörer auf ausgeprägtes Charisma respektive Originalität verzichten kann.