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Interview mit SCHATTENMANN (02.11.2018)

SCHATTENMANN

 

Seit der Veröffentlichung ihres Debüts „Licht An“ geht es für die vier Schattenmänner um Frank Herzig steil bergauf. Wir treffen Frank im Kulttempel Oberhausen, wo wir mit ihm über das aktuelle Album, die weiteren Ziele der Band, sowie über einige ausgewählte Songs des Albums reden.

Frank, Ihr habt in diesem Jahr auf dem M éra Luna gespielt, euer bis dato größtes Konzert, aber eine eigene Headliner Tour ist schon noch eine etwas andere Nummer. Wie fühlt ihr euch heute, am ersten Tag eurer eigenen Tournee?

Frank Herzig: Also erstmal ist es für uns noch völlig surreal. Normalerweise ist es ja so, dass wir auf Konzerten als Support zu Gast sind. Jetzt dreht sich irgendwie alles um uns – das ist super ungewohnt, das ist super komisch. Wir freuen uns natürlich, wir freuen uns riesig und wir sind natürlich auch gespannt: wie fühlt sich das jetzt an? Ist es anders, oder passiert irgend etwas anderes – wir wissen noch gar nicht damit umzugehen. Es ist ja wie gesagt das erste Mal und wir sind gespannt, aber auch super dankbar, dass wir es machen dürfen, denn es ist ja heute als Band sehr schwierig, so eine Tour zustande zu bringen, dass die Clubs sagen: ja, haben wir schon mal gehört, wollen wir machen, können wir machen...da gehört ja immer viel zusammen und alleine das macht uns schon stolz, das wir einfach die Möglichkeit kriegen, es zu tun.

Was erwartet ihr von dieser Tournee und was können die Zuschauer von einer SCHATTENMANN – Show erwarten?

Frank Herzig: Also Erwartungen in dem Sinne, dass man sagt, die Tour muss so und so voll werden, haben wir eigentlich gar nicht. Wir haben einfach nur die Erwartung, dass wir mit unserem Publikum, mit unseren Fans und den Leuten, die auf unsere Konzerte kommen, eine gute Zeit haben. Wir wollen einfach Musik machen, unser Album spielen, vor allem auch all die Songs, die wir auf den Support-Shows nicht untergekriegt haben – ist ja zeitlich immer sehr limitiert gewesen – einfach alle unsere Songs auf die Bühne bringen. Darum geht’s uns eigentlich: die Songs auf die Bühne zu bringen, eine gute Zeit zu haben, mit den Fans, mit der Band, das ist der Hauptanspruch. Alles andere ist erstmal völlig zweitrangig.

Ihr habt im Vorfeld der Tour schon verlauten lassen, dass es auf den Konzerten auch bisher unveröffentlichtes Material zu hören geben wird. Handelt es sich hierbei um komplett frisches Material oder um Titel, die es nicht auf das Album geschafft haben?

Frank Herzig: Lass es mich mal so formulieren: Es sind unveröffentlichte Songs, die es tatsächlich zum Release des Albums noch nicht gab, aber was mit den Songs jetzt genau passiert, ist noch nicht ganz raus, aber sie sind auf jeden Fall neu.

Macht ihr das von der Resonanz des Publikums abhängig?

Frank Herzig: Wir sind ja noch dabei, zu schreiben, vielleicht schreiben wir ja auch noch was besseres oder was anderes – keine Ahnung. Nennen wir es einfach mal „unveröffentlichtes Material“. Das mit dem „nicht schaffen“ nehmen wir mal mit einem Augenzwinkern, nennen wir es einfach „unveröffentlichtes Material“.

SCHATTENMANN haben sich ja ein Label ausgedacht: Neue Deutsche Härte 2.0. Kannst du für uns den Begriff mal ein bisschen mit Leben füllen?

Frank Herzig: Klar! Wenn mich heute einer fragt: Was macht ihr denn für Musik und ich sage: Neue Deutsche Härte, dann sagt der: keine Ahnung, was ist denn das? Sag ich so: Kennst du RAMMSTEIN und der: Jo, kenn ich. Also: Für jeden, der mit der Schwarzen Szene nichts zu tun hat, ist NDH gleich RAMMSTEIN. Wenn man denen dann ein bisschen mehr erklärt, verstehen die dann auch, dass es eigentlich ein komplett eigenständiges Genre ist und dass es da auch ganz viele Facetten gibt. Im Metal hat man viele Unterkategorien, wie auch im Jazz oder im Blues, da gibt’s ja tausend Unterkategorien, oder auch was elektronische Musik betrifft. Aber irgendwie sagen alle NDH ist NDH – stimmt aber nicht.

Ich finde, wir haben ganz typische NDH Elemente, wir habe diese harten Drumbeats, wir haben die fetten Gitarren, die einschlägigen Riffs, wir haben auch ab und zu diese typische Ein-Wort-Refrains, aber wir haben auch ganz andere Elemente mit drin. Ich singe ja auch stellenweise richtige Melodien, richtige Hooklines und teilweise sind unsere Songs auch leichtfüßiger und tanzbarer, aber trotzdem auch sehr NDH-lastig. Auch die unveröffentlichten Songs machen noch mehr deutlich, dass wir noch mehr in diese Kerbe 2.0 schlagen. Es ist vielleicht ein Weiterentwicklung des Ganzen.

Ich finde, man schränkt sich so ein, wenn man sich nur NDH nennt, denn ich glaube, dass wir sowohl optisch als auch akustisch ein Update zu anderen NDH-Bands sind.

Ich würde gern auf ein paar Titel zu sprechen kommen. Der Track 9mm hat die Textzeile: „Wir sehn uns in der Hölle wieder...“ und beschreibt somit ein durchaus biblisches Weltbild. Glaubst Du an ein solches Weltbild? Anders formuliert: Denkst du, dass böse Taten bestraft und gute Taten belohnt werden?

Frank Herzig: Also, ich bin kein gläubiger Mensch. Ich denke, jeder weiß, was damit gemeint ist. Für mich bedeutet dieser Satz: Wir sehn uns in der Hölle wieder: Irgendwann kriegt jeder das, was er verdient. Irgendwann stehen wir uns alle splitterfasernackt gegenüber und müssen uns für das verantworten, was wir getan haben und können uns nicht durch irgendwelche Dinge schützen, die uns umgeben, denn irgendwann stehen wir für uns alleine da und das kann man als Metapher nehmen.

Ihr spielt des Öfteren mit diesen biblischen Symbolen und habt euch mehrfach im biblischen Fundus bedient...

Frank Herzig: Ja, tatsächlich. Auch in „Böser Mann“, da zitiere ich auch. Es sind ja auch Redewendungen durch die Bibel entstanden: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ - mit weniger Worten kann man Verbissenheit und den Kampf bis zum letzten Mann eigentlich nicht beschreiben. Ich fand es einfach passend. Das sind ja auch Redewendungen, die sich in der Sprache durchgesetzt haben. Warum sollte man sich dieser Redewendungen nicht bedienen? Für mich ist es auch immer wichtig, dass wenn ich so was anfange, das weiter zu spinnen. „Faust um Faust“: wir sind bereit, zu kämpfen. Ich habe dieses Zitat, mit dem ich begonnen habe, weiter gesponnen, oder: „Seele um Seele“. Ich habe versucht, das weiter zu spinnen, über diesen ganzen Text. Ich entwickle Dinge auch weiter.

Amok ist quasi ein Hilferuf, in dem der Protagonist wünscht, aufgehalten zu werden, bevor er/es eskaliert. Wie viel autobiographische Elemente stecken in dem Song?

Frank Herzig: Das ist ein Song, der eigentlich davon handelt, dass jeder Mensch einen Freund braucht, der ihm Halt gibt, Menschen, die für einen da sind in schwierigen Situationen, dieses: „halt mich fest, halt mich auf, wenn es in mir eskaliert“, dass du jemanden hast, der dir den Rücken stärkt, der dich auch manchmal von Dummheiten abhält, oder der dich bestärkt, in dem, was du tust. Davon handelt AMOK. Das geht mir genau so. Ich hab ´ne wahnsinnig tolle Familie, die mir Rückhalt gibt, die aber auch manchmal sagt: „Ruhig, Brauner, ruhig Blut“. Wir sind alle nicht frei von Fehlern und es ist immer schön, wenn man jemanden hat, der einen in einer Extremsituation auffängt, der einem auch manchmal den Wind aus den Segeln nimmt.

Ihr verarbeitet also durchaus autobiographische Elemente...

Frank Herzig: Wir schreiben schon über Dinge, die uns auch bewegen, sonst wäre es ja auch nicht echt oder authentisch, da spricht schon ein sehr, sehr großer Teil aus uns. Natürlich musst du als Songwriter oder Künstler auch immer die Kurve kriegen: wann gebe ich zu viel von mir preis oder ist das dann tatsächlich auf eine Person oder mich selbst zu beziehen, oder möchte ich das dann doch etwas offener halten, aber jeder Song hat tatsächlich eine eigene, erlebte Geschichte.

Wo auf eurem Album materialisieren sich eure inneren Dämonen am deutlichsten?

Frank Herzig: Das ist eine gute Frage. Die ist vor allem sehr schwierig. Das kann ich dir eigentlich so gar nicht beantworten. Beim ersten Titel „Schattenmann“ ist es ja so, dass wir diese Facette zeigen. Da geht’s ja auch darum, dass man diesem Schattenmann quasi nachgibt: „Ich krieche dir unter die Haut, komm mit mir, ich schieße dir direkt ins Blut“, das ist für mich auch immer so ein Ding: komm, gib nach, lass dich fallen, tauche ein – die dunkle Seite der Macht – das ist für mich auch schon ein Schlüsselerlebnis auf der Bühne. Das ist auch so der Beginn: Du gehst auf die Bühne und du legst das ab, dann bist du der Schattenmann – das ist schon irgendwie...wenn du so willst: es ist schon irgendwie im Song Schattenmann.

Generation Sex thematisiert die Reduktion des Sexuellen auf den rein mechanischen Akt, die Allgegenwärtigkeit des Themas Sex und eine akute Reizüberflutung. Wie kam es zu diesem Song?

Frank Herzig: Kann man so sehen, ja, aber eigentlich ist der Song noch viel breiter, denn er kümmert sich eigentlich um die Verrohung der Gesellschaft im Allgemeinen. Tatsächlich war diese Sprache, die ja sehr platt ist, sehr provokant, sehr plakativ ist, mit dem Thema Sex gewählt, um einfach auch deutlich zu machen, wie verroht und abgestumpft wir schon sind. Davon handelt der Song, das einfach mal aufzuzeigen, eben mit dem Stilmittel der Lyrik.

Mit deiner Antwort hast du meine nächste Frage eigentlich schon beantwortet, denn sie lautet: Glaubst du, dass unsere Gesellschaft verroht?












Frank Herzig: Ich müsste lügen, wenn ich es nicht denken würde, sonst hätten wir den Song ja nicht geschrieben. Ja, in gewisser Weise schon, ich glaube aber auch, dass wir als Menschen durchaus lernfähig sind, manchmal ein bisschen später, manchmal früher. Ich hab mich da kürzlich noch mit ´nem Kumpel drüber unterhalten, dass wir uns noch daran erinnern konnten, dass es in unserem Dorf einen Tante-Emma-Laden gab, wo man mit der Milchkanne hingehen konnte, um sich seine Milch abzuholen, da war ich ein kleiner Steppke und konnte gerade laufen. Dann kamen die Discounter und der Tetra-Pack und jetzt merkt man, das war vielleicht doch keine so geile Idee, tausende von Müllbergen zu produzieren und jetzt geht man wieder zur Milchkanne über...also glaube ich schon, dass da vielleicht auch bald wieder eine Trendwende, eine Kehrtwende zu spüren ist, aber im Moment glaube ich schon, dass es dort eine klare, deutliche Abgestumpftheit gibt. Ich habe ja auch durch meinen Job als Gitarrenlehrer viel mit Jugendlichen zu tun...man rebelliert gegen die aktuelle Generation, so wie die Hippie-Zeit mit freier Liebe ins Gegenteil Richtung Monogamie und Ehe umgeschlagen ist. Ich glaube und hoffe, dass sich alles irgendwann wieder ins Gegenteil verkehrt. Es wäre tatsächlich mal eine schöne Kehrtwende, wenn die Verrohung ein bisschen zurückgehen würde und auch alle ein bisschen freundlicher zueinander wären...

Eines meiner persönlichen Highlights auf „Licht An“ ist „Gekentert“. Um bei der Symbolik zu bleiben, ist das Kentern für Leib und Leben eine gefährliche Situation. Bist du jemand, der an einer gescheiterten Beziehung zerbrechen bzw. untergehen könnte?

Frank Herzig: Ja. Ich bin ein absolutes Sensibelchen, sonst könnte ich auch nicht so schreiben und in „Gekentert“ ist schon teilweise mehr Wahrheit drin, als ich anfangs preisgeben wollte, als ich anfing, die Nummer zu schreiben, aber es hat sich halt so ergeben. Und ja: ich bin ein sehr emotionaler Mensch, ich leide dann auch sehr und wenn´s mir scheiße geht, geht’s mir auch richtig scheiße – halbe Sachen machen wir nicht – und ich hab´s ja auch hinter mir, das Thema Trennung, Beziehung, passiert ja. Wir haben ja auch alle ein Leben neben der Musik...ist schon unschön...gerade auch, wenn man denkt, man hat den Menschen gefunden, an dem man auch kentern kann – im positiven Sinne – und dann tatsächlich im Nachhinein Schiffbruch erlitten hat, gilt es dann, die Sache zu verarbeiten. Ich glaube, ich bin so ein Kandidat, definitiv. Harte Schale, weicher Kern.

Mit „Licht an“ habt ihr nach eigener Aussage eure inneren Dämonen ans Licht und in die Öffentlichkeit gezerrt, d.h. die Seite, die eigentlich lieber verborgen bleiben sollte, kennt nun plötzlich jeder. Macht das verletzlich?

Frank Herzig: Nein. Es sind ja nicht nur die inneren Dämonen, denn wir entdecken ja an uns auch ´ne neue Seite und jeder, der auf ein Schattenmann-Konzert geht, entdeckt vielleicht auch an sich eine bis dato verborgene Seite. Wir stellen mit unserer Musik ja auch ganz allgemein Dinge ins Licht, die bis dato im Verborgenen lagen, wie auch mit „Generation Sex“. Wir sprechen Dinge an, die eigentlich mehr im Hintergrund stehen.

Ihr legt also gern den Finger in die Wunde...

Frank Herzig: Gerne auch mal das (lacht). Aber ich würde nicht sagen, dass uns das verletzlich macht, ganz im Gegenteil. Ich denke, es ist immer schön, wenn man über Themen sprechen kann und ich glaube am Ende, bringt einen das auch weiter. So ein Song wie „Generation Sex“: da überlegst du dir schon: mache ich den so, wie ich den vorhabe, drehe ich auch dieses Video, denn das Video macht dich angreifbar. Wir haben einen Shit-Storm erlebt mit dem Video: provokant, doof...ich hab´s in ´nem Interview gesagt, weil alle gemeint haben: ja wenn sie hätten provozieren wollen, hätten sie es richtig machen müssen. Ich hab gesagt: hätte ich das tun wollen, hätte ich auch ´nen Porno gedreht, hätte ich kein Problem mit gehabt. Das war aber nicht Sinn und Zweck der ganzen Sache, denn wir wollten ja auch das typische Schattenmann Augenzwinkern am Ende noch drin haben, auch in dem Video, denn in erster Linie soll Musik Spaß machen. Die Leute sollen zwar bei dem Song was zum Nachdenken haben und sich damit auseinander setzen, aber am Ende auch feiern. Das ist auch so ein Ding: Hast du Bock, dir darüber Gedanken zu machen, machst du es, ansonsten gröhlst du einfach „Generation Sex“ mit und hast Spaß bei der Nummer, dann ist uns auch damit gedient.

Ausblick: Was ist nach der Tour geplant? Macht ihr dann erstmal Urlaub?

Frank Herzig: Nee, Urlaub machen wir nicht. Wir legen uns nicht auf die faule Haut...Festivals, neues Album und dann im Herbst: mal gucken, aber da kommt mit Sicherheit irgendwas, sonst kriegen wir alle Entzugserscheinungen und wissen hinterher nicht mehr, wie es geht. Jetzt, wo wir es einmal ´raus haben mit dem Konzerte-Spielen, hören wir doch nicht sofort wieder damit auf (lacht).

Kommen wir zum Abschluss zu meiner Spezialfrage. Nach den ganzen Interviews: Welche Frage ist dir noch nicht gestellt worden, die du aber schon immer gerne beantwortet hättest?

Frank Herzig: Boah, ich glaube genau diese Frage (lacht). Jetzt hast du mich kalt erwischt. Ich möchte mich eigentlich bei unseren Fans bedanken und zwar aus tiefstem Herzen und das spricht aus der ganzen Band, denn das, was wir hier erleben dürfen, was hier passiert, ist im Endeffekt folgendes: da machen vier Idioten Musik, denken sich nicht groß was dabei, machen einfach das, was ihnen in den Sinn kommt und dann finden das auf einmal Leute toll – das ist ein verdammt krasses Gefühl! Und dann kommen die auch noch auf ein Konzert und ermöglichen dir als Künstler, Konzerte zu spielen. Was nützt die beste Band und die besten Songs, wenn das keiner hören will? Wir sind für die Unterstützung und die Wärme, die uns die Fans entgegen bringen, dieses Herzliche, das sie sich freuen, wenn wir da sind, all das, was da dran hängt, dieser Support... und dafür möchte ich mich einfach bedanken, dafür, dass die Fans so für uns da sind, uns die Treue halten und uns ermöglichen, mit SCHATTENMANN auf Tour zu sein und Musik zu machen. Dafür ein großes Dankeschön.

Das war ein schönes Abschlussstatement. Frank, vielen Dank für dieses Gespräch.

Frank Herzig: Ich habe zu danken. War schön mit euch.

 

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Stefan Haarmann - Stellv. Chefredakteur (Info)
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