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Interview mit DROTT (15.08.2023)

DROTT

Hand aufs Herz: Mit was für einem Album bzw. Musikstil würdest Du rechnen, wenn Du wüsstest, dass je eins von drei Bandmitgliedern zuvor bei Ulver bzw. immer noch bei Enslaved spiel(t)en, selbige Band für die Gesangsaufnahmen u.a. Kristian "Gaahl" Espedal ins Studio einlud – und das dazugehörige Album auch noch auf den Titel "Troll" getauft wurde? Wenn Du den Norsk Svart Metall – oder den Trolsk Sort Metall – nicht erst gestern entdeckt hast, würdest Du wohl auch mit Musik rechnen, die vom unterirdischen bis schwarzen Krach nicht allzu weit entfernt ist… DROTT aus Bergen, das sind namentlich Arve Isdal, Ivar Thormodsæter und Matias Monsen, erkunden auf ihrem zweiten Langspielalbum einen musikalischen Kosmos, dessen Koordinaten zwischen Rock, Folk, Klassik und sogar Oper liegen. Doch hier geht es um weit mehr als ums bloße Erkunden,"Troll" steht für kompositorische Finesse und Dramatik, die spielerisch mit den eingangs erwähnten Bands mithalten kann. Insofern freue ich mich, dass Arve und Matias Zeit fanden, um ihr trollisches Treiben bei DROTT etwas näher zu… beleuchten?!

Hallo und vielen Dank, dass Ihr meine Vorurteile über ein Album mit dem Titel "Troll", das von Pionieren und Veteranen des nordischen Black Metal aufgenommen wurde, komplett pulverisiert habt – das Album stellt sich als stilistisch verschieden, außergewöhnlich dramatisch, gut komponiert und abenteuerlich heraus! Woher habt Ihr die Lizenz für die Aufnahme eines so brillanten Albums und wieviel habt Ihr dafür bezahlt?

Arve: Vielen Dank! Zuallererst müssen wir unserem Label By Norse dafür danken, dass sie an uns glauben und unsere Alben veröffentlichen. Sie lassen uns totale künstlerische Freiheit, und das ermöglicht das alles. Da ich zusammen mit einigen Freunden mein eigenes Studio betreibe, ist es einfacher, Zeit in die Produktion zu investieren und zwischen anderen Projekten an Details zu arbeiten, ohne ein Studiobudget in der Höhe eines Vermögens auszugeben. Der Nachteil ist, dass ich immer wieder Änderungen vornehmen kann, so dass es schwieriger ist, fertig zu werden. Es gibt immer einen kleinen subtilen Gitarrenpart oder eine Cello-Atmosphäre, die man noch hinzufügen kann, haha.

Meine Rezension Eures Albums hatte ich bereits verfasst, einschließlich der Frage, wie wohl Edvard Grieg eure Musik wahrnehmen würde (wenn er heute noch lebte), und dann fiel mir der Songtitel "Troldhaug" auf, der mich an jenen Ort erinnerte, an dem Grieg einige seiner Werke komponierte. Er war bekannt für seine harsche Selbstkritik, vor allem im Hinblick auf jene Musik, die er für Kitsch hielt. Allerdings lässt sich wohl sagen, dass Ihr mit DROTT zumindest den generischen Black-Metal-Kitsch vermeidet – wie denkt Ihr darüber und inwieweit seid Ihr von Grieg selbst oder einigen Motiven seiner Musik inspiriert, mit denen Ihr wahrscheinlich bereits in Kindertagen aufgewachsen seid?

Matias: Tatsächlich wohne ich ganz in der Nähe von Troldhaugen, und ich besuche Griegs altes Herrenhaus ein ums andere Mal, was mich sehr inspiriert. Das Grab von ihm und seiner Frau liegt direkt am Meer, und das ganze Anwesen vermittelt eine wirklich einzigartige Energie. Ich bin ein großer Fan von Grieg. Für mich war er ein Genie.

Arve: Wir sind zweifelsohne von Grieg und diesem Ort inspiriert. Troldhaugen war der Schauplatz unseres ersten Photo Shootings, und wir waren bereits mehrmals dort, um uns inspirieren zu lassen. Es ist ein sehr schöner, besonderer Ort mit einer tollen Atmosphäre. Songs wie "Troldhaug" und "Til Stein" gehörten zu den ersten Songs, die wir vor etwa drei Jahren geschrieben haben. Wir sprachen zunächst darüber, eine düstere EP mit dem Titel "Troldhaug" zu machen, doch wir entschieden uns für ein etwas weniger konkretes Konzept, damit es nicht so sehr mit diesem Ort und Grieg selbst in Verbindung gebracht wird.

Auf "Troll" vernehme ich u.a. Einflüsse aus Oper, Folk und Klassik, die in einem einzigartigen Hörerlebnis zusammenfließen, zudem klingt ein Song wie "Nattas Blot" für mich wie ein zeitgenössisches Echo von Emerson, Lake & Palmers Interpretation von "Pictures At An Exhibition". Mir scheint es, als ob "künstlerische Freiheit" kein billiger Slogan im DROTT-Lager ist, sondern Ihr sie in Eurer Musik wirklich genießt. Ergo vermute ich, dass Euch tiefe Freude über gewisse "Flow"-Erlebnisse ebenso wenig fremd ist wie eine gewisse Unruhe, Euch immer wieder aufs Neue herauszufordern?

Matias: Wir drei haben sehr unterschiedliche musikalische Hintergründe. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend viel klassische Musik gehört, vor allem Komponisten wie Mussorgsky, Debussy und Strawinsky, sowie Grieg. Ich denke, wir bringen alle etwas mit, wenn wir spielen, und wir teilen die Freude am gemeinsamen Musizieren als Trio.

Arve: Wir denken nicht zu viel nach, wenn wir komponieren, und machen normalerweise mit einer Idee weiter, bis sie fertig ist oder nicht mehr interessant klingt. Wie du schon sagst, bedienen wir uns in vielen verschiedenen Genres und mischen sie, doch es klingt immer noch nach DROTT. Vielleicht liegt es daran, dass wir eine ungewöhnliche Besetzung und zudem dieses Dogma haben, keine anderen oder virtuelle Instrumente zu benutzen. Wir versuchen stets, neue Wege zu finden, unsere Instrumente zu erforschen, vor allem die Gitarre und das Cello. Die meisten Leute denken, dass wir viele Synthesizer benutzen, doch es gibt überhaupt keine in unserer Musik.

Etliche Gesangsarrangements auf "Troll" intensivieren die Gesamtatmosphäre mit dramatischer Qualität. Inwieweit haben Eure Gastmusiker ihre eigenen Ideen zu diesem atemberaubenden Ergebnis beigetragen?

Matias: Ihr Beitrag war fantastisch. Sie haben unseren Songs Leidenschaft und Mystik verliehen. Es handelt sich wirklich um herausragende Künstler.

Arve: Wir hatten zunächst nur die Idee, dass Kristian einige Klänge erzeugt, um eine organische Präsenz darzustellen, also eine Kreatur oder einen Troll, wenn man so will. Er hat Lindy mit ins Studio gebracht, und so hat es sich ergeben, dass sie bei vielen Liedern verschiedene Vocals eingesungen haben. Es war einfach, mit ihnen zu arbeiten, die Sessions mit ihnen haben wirklich Spaß gemacht, und sie haben viel zum Endergebnis beigetragen. Sie sind beide einzigartige Künstler!

Früher sind wir in Plattenläden gegangen, haben durch LPs oder CDs gestöbert, unbekannte Cover betrachtet und uns gefragt, wie wohl die Musik klingen mag. Hein Matthiesen hat ein Cover Artwork erschaffen, das vielleicht auf den ersten Blick unspektakulär wirkt, jedoch zu genauerer Betrachtung und zum Eintauchen in eine geheimnisvolle Welt einlädt - nahezu perfekt für eure Musik auf "Troll", wage ich zu behaupten. Entschuldigt bitte, dass ich keine tiefschürfende oder garstige Kritik von mir gebe, doch das Artwork in Kombination mit Eurer Musik ist einfach zu gut! Basiert diese waldige Szenerie auf Euren eigenen Ideen, Wahrnehmungen, Träumen...?

Matias: Arve wollte, dass das Cover das Geheimnisumwitterte der alten Wälder und der skandinavischen Mythologie darstellt. Das ist wirklich gut gelungen. Am Anfang dachte ich, es sei zu kitschig, doch jetzt gefällt es mir sehr.

Arve: Ich stimme dir vollkommen zu! Am Anfang hatten wir eine andere Idee für das Cover, die viel direkter und dunkler war. Diese ursprüngliche, dunklere Idee verlieh der Musik und dem ganzen Album eine Schwere. Wir konnten sie aus verschiedenen Gründen nicht verwenden, und als Hein mit der Skizze für das jetzige Cover auftauchte, fügte sich alles zusammen. Ich war mir anfangs nicht 100%ig sicher, doch als ich das Album zum ersten Mal mit dem Cover vor mir hörte, ergab es einen perfekten Sinn. Wie du sagst, wenn man genauer hinschaut, kann man es auf viele verschiedene Arten sehen. Ich weiß nicht warum, doch ich erinnere mich, dass ich irgendwann eine Assoziation zu alten Genesis-Covern hatte, aber auf eine dunklere Art. Ich mochte dieses Gefühl sehr, ohne näher beschreiben zu können, was da vor sich ging. Das Cover Artwork ist bei DROTT sehr wichtig, und nicht minder wichtig ist, dass es für verschiedene Interpretationen offen ist, wie unsere Musik.

Ihr werdet einen Release Gig in Eurer Heimatstadt Bergen spielen. Habt ihr weitere Pläne für Konzerte?

Arve: Wir haben diesen Release Gig vor ein paar Tagen gespielt, und es lief wirklich gut! Wir waren uns zuvor nicht ganz sicher gewesen, wie das Ganze live funktionieren würde, da alles instrumental ist und wir bei den meisten Songs auf den Alben viele Ebenen verwenden, die wir live in der Form nicht reproduzieren können. Es hat sich gut angefühlt, und das Feedback war großartig, also freuen wir uns darauf, bald mehr Shows zu spielen, haben jedoch noch keine konkreten Pläne.

Ein weiteres meiner Lieblingsalben aus dem Jahr 2023 ist die Debüt-LP von Natt aus Eurer Nachbarschaft, und ich frage mich immer wieder, was bloß im Wasser von Bergen ist, das es zur Rock- & Metal-Stadt Nr. 1 macht?

Matias: Es ist das Wasser aus Svartediket, das durch die Rohre in Bergen fließt.

Arve: Ich nehme Bergen generell als eine sehr kreative Stadt wahr, zumindest wenn es um die Musikszene geht und nicht nur um die Rock- und Metal-Genres. Viele der Bands und Künstler hier arbeiten hart dafür, ihren eigenen, einzigartigen Stil und Sound zu kreieren und zu kultivieren, und das wiederum schafft eine sehr freie und inspirierende Umgebung. Es ist hier völlig in Ordnung, anders zu sein, und das ist immer eine gute Sache.

Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt! Bevor wir uns verabschieden: Was ist Euer Ratschlag für eine unvorhergesehene Begegnung mit einem Troll?

Matias: Versteck dich.

Arve: Wahrscheinlich ist das eine gute Idee. Zumindest hier in Bergen gibt es nicht viel Sonnenlicht, in das man einen Troll locken könnte.

Thor Joakimsson (Info)
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