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Night Of The Prog 2014 - Sankt Goarhausen, Freilichtbühne Lorelei - 18.07.2014

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Dass man das Programm von 2013 nicht ohne weiteres überbieten konnte, war klar, aber auch die neunte Ausgabe des NIGHT OF THE PROG Festivals bot Althergebrachtes (vielleicht diesmal ein wenig zu viel) und wirkliche Impulsgeber in Sachen progressiver Rockmusik in einer tollen Mischung vor noch tollerer Kulisse bei tollem Wetter, das eventuell auch ein wenig zu viel des Guten war. Wenn die Reihe nächstes Jahr zum zehnten Geburtstag dreitägig (!) bei ähnlicher Rekordhitze über die Bühne geht, wünschen wir uns eine flächendeckende Überdachung von St. Goarshausen.

Auch wenn das Publikum generell sehr dankbar war und die Stimmung wunderbar: Die Reaktionen insbesondere auf die Bands des Nachmittagsprogramm haben bewiesen, dass die Zukunft des Begriffs “Prog” nicht unbedingt mit der Vorsilbe “Neo” (ist ohnehin Unfug, eine vor gut 20 Jahren entstandene Strömung immer noch “neu” zu nennen) zusammenhängt. Unsere subjektiven Highlights kamen jedenfalls (die Headliner ausgeschlossen) von der bärtigen Fraktion mit den ganz lauten Gitarren.

 Freitag, 18.07.

Die Anreise einen Tag vorher erweist sich als unproblematisch, wobei die Ordner einige Autos (aber eben nicht alle) bei knallender Hitze auf eine schattenlose Wiese lotsen, um zu campen. Das Ticket dazu ist mit 30 Euro sowieso schon zu teuer, und dann darf man noch nicht einmal den privaten Zeltplatz am Gelände beziehen, der angenehmerweise in einem kleinen Wäldchen liegt – zumindest nicht offiziell, denn wie schon in den Vorjahren weiß niemand so genau, was erlaubt ist und was nicht, weshalb jeder etwas Anderes erzählt und letztlich auch macht, was er will. In dieser Hinsicht – die Verpflegung wird in diesem Leben nicht mehr besser oder billiger, weil sie in fester Hand der Geländebetreiber liegt – gilt es irgendwann einmal, für Klarheit zu sorgen.

Wenigstens bleibt das Verkehrschaos (siehe letztes Jahr bei Muse einen Tag zuvor) praktisch aus. Am Vorabend hat ALAN PARSONS einen bombastischen Gig hingelegt, als Einstieg ins Wochenende geben die Veranstalter am Freitageiner starken und leider noch ohne weltweiten Vertrieb dastehenden italienischen Band. Das darf sich insofern gerne ändern, als GRAN TURISMO VELOCE ein breiteres Publikum ansprechen könnten als die eklektische Klientel ihrer Landsleute Lizard Records, denn ihre Mischung aus typisch schrulligem Italo-Prog und härteren Ausschlägen bei heiterer, aber definitiv ernster Ausrichtung fände ist weder nicht eingängig 

Gran Turismo Veloce

noch nur für Auch-Musiker begreifbar. Auch die Bühnenshow der Gruppe macht etwas her – in Anbetracht von viel Bewegung, Gitarrist Massmimos Zirkusdirektor-Schnauzer, einheitlichem Outfit (rote Overalls aus der Boxengasse?) und hervorgekehrter Sympathie in hohen Dosen hört das Auge der Schattensuchenden im Amphitheater mit. Geboten werden vor allem Songs des nicht mehr ganz frischen Debüts, aber auch Ausblicke auf das momentan noch per Crowdfunding aus der Taufe gehobene zweite Album (mit Orchester), wobei sich ‘Alice Nel Paese Delle Meraviglie’ und ‘La Paura’ (gibt es als hübschen Videoclip mit der Schauspielerin Francesca Valtorta im Netz zu bestaunen) als besonders griffig herausstellen. Wunderbarer Start also, und demnächst bitte mehr von dieser Band.

Mit der Erbauungslyrik von TRAUMHAUS tut sich mancher (der Schreiber) zumindest auf Platte schwer, doch live, wenn die fein ziselierte Musik der Band aus dem rheinland-pfälzischen Roth im laut im Vordergrund steht, ist eigentlich egal, was Alexander Weyland, der musikalische Kopf, ins Mikrofon haucht, wobei: Im Grunde genommen gibt es auch im klassischen Prog Rock, den die Gruppe ja in ausladender Weise spielt, nicht zwangsläufig immer nur tiefsinnige und vor allem positive Texte. Rock gibt es übrigens nicht zu knapp: Auf der Bühne offenbart sich nicht nur verboten intelligentes, aber nie allzu verkopftes Songwriting, sondern auch einiges an Härte. Aushilfsdrummer Ray Gattner (My Baby Wants To Eat Your Pussy) sorgt mit Bassist Till Ottinger für einen ordentlichen Punch, der besonders dem teils düsteren ‘Hinaus’ gut steht. Verstärkt um Background-Sängerin Nina Weyland haben die Musiker am Ende ihres dramatisch aufgebauten 

Traumhaus

Sets wohl nicht nur ihre eingefleischten Fans zufriedengestellt (die sich lautstark bemerkbar machen), sondern auch neue hinzugewonnen. Novalis mit dicken Eiern, wenn man ein bisschen ordinär sein darf, um einen Vergleich zu ziehen.

Der junge (zigste) Neusänger Karol Wróblewski, den Miroslaw Gil von seiner Interimsband Believe mitgebracht hat, war vermutlich das Beste, was den altgedienten COLLAGE zur Wiedervereinigung passieren konnte. Nach über zehn Jahren Pause spielen die alten Helden ihren Schuh herunter, aber zumindest mit gediegener Härte, wozu das aggressive, vielleicht auch ein wenig übermotivierte Gehabe des Frontmanns gut passt. ‘The Blues’ und dasTitelstück von “Moonshine” kommen spät im Set, das von “Basnie” nach “Safe”. Daneben spielt die gut aufgelegte, aber abgesehen von ihrem Frontmann etwas distanziert wirkende Gruppe 'One Of Their Kind' zur Eröffnung, 'Eight Kisses' und John Lennons 'God', wobei man gestehen muss, dass die Musik zumindest auf

CollageKostverächter den Eindruck macht, der Zahn der Zeit habe an ihr genagt, aber nun gut: Die Band verleiht dem Night Of The Prog die ersten richtig harten Töne, und gleich darauf sollen viele weitere hinzukommen.

Ob die in der Metal-Szene längst hochgelobten LONG DISTANCE CALLING nun deshalb auf ihre Stücke mit Gesang verzichtet haben, um sich von allen anderen Bands des Festivals abzusetzen (unnötig, denn so klingt ohnehin niemand an diesem Wochenende) oder Angst davor hatten, die traditionelle Fan-Klientel zu verprellen (auch unnötig, spätestens nach Devin Townsend und Opeth im letzten Jahr), ist letztlich schnuppe, zumal das immer noch aktuelle Album der Band gerade der Stimme wegen zumindest in diesem Hörerhaushalt nicht unbedingt das stärkste der Münsteraner ist, aber wie dem auch sei: Die Band und allen voran Gitarrist Florian Füntmann strahlt über beide Ohren angesichts der euphorischen Reaktionen im Rund auf ihre Musik. Dabei wirbelt die Combo einen regelrechten Sturm auf und bleibt wohl die härteste des Festivals insgesamt lässt sich aber weder spielerisch noch in puncto Herzlichkeit die Wurst vom Teller ziehen. Die coolsten Säue sind dabei Säue Martin Fischer, der nur hinterm Keyboard stehend Kippe fluppen kann, und Drummer Janosch Rathmer, der sich mit Hinblick auf seine zweite Band Zodiac als einer der wandlungsfähigsten seiner Zunft erweist. Die Band gibt Eindrücke ihrer gerade in Eigenregie veröffentlichten Improvisations-EP wieder (‘NH 0549’) und spielt ihre mithin massivsten Tracks, bloß eben nicht die Gesangslieder von “The Flood Inside”, dafür aber den Opener ‘Nucleus’ und eine lange Version von ‘Ductus’, dazu ‘Invisible Giants’, ‘Timebends’, ‘Arecibo’ und ‘The Figrin D’an Boogie’ von ihrer vorigen Scheibe. “Avoid The Light wird

Long Distance Calling

mit dem eingängigen ‘Black Paper Planes’ und ‘I Know You, Stanley Milgram’ bedacht, “Satellite Bay” überhaupt nicht. Hinzu kommt das “090208”-Stück ‘Metulsky Curse Revisited’, wobei die Band live noch packender daherkommt – wie so oft bei rein instrumentaler Musik – als auf ihren Alben. Der unverhoffte Tagessieger sind die Männer so oder so.

Der Autor bleibt dabei: Nur weil “Road Of Bones” das erste Lebenszeichen von IQ nach fünf Jahren darstellt, ist es noch lange nicht der Hit, den alle (Presse-)Welt daraus macht, zumal die Band, wenn man sie nicht durch die Fan-Brille betrachtet, mit den Jahren sowieso an Relevanz verloren hat. Davon abgesehen, dass sie im Gegensatz zu (natürlich) Marillion oder Pallas so gut wie völlig entwicklungsresistent geblieben ist, offenbaren sich gerade live zahlreiche Schwächen, die den hohen Status dieser Grupp einfach unbegreiflich machen: Peter Nicholls ist ein mit Verlaub miserabler Sänger (druckloses, schiefes Näseln – und Kenner meinen hinterher gar, dies sei einer seiner besseren Auftritte gewesen), der Wust an elektronischen Hilfsmitteln, auf die die Band zurückgreift, lässt null Live-Feeling aufkommen (vor allem, wenn Samples mit falschem Timing getriggert werden), und das Songmaterial hält den Klassikern des Genres (mal bei ex-Basser John Jowitt nachschauen, der mit Arenas “The Visitor” an einem relativ modernen beteiligt war) bis auf wenige Ausnahmen einfach nicht stand. Dazu gehören sicherlich ‘The Darkest Hour’ von “Ever” und die Uralt-Schote ‘The Wake’, aber weniger die Titelstücke der letzten beiden Album, wobei das neuste innerhalb der Setlist wohl aufgrund der knappen Spielzeit keine Priorität genießt. (‘From The Outside In’ als Opener

IQ

und später ‘Until The End’, sonst nichts mehr). Das stärkste Stück, als man sich wohl gerade erst warmgespielt, ist der Rauswerfer ‘The Seventh House’, ansonsten ein ziemlich betrübliches Schauspiel, das die positiven Resonanzen nicht rechtfertig. Szene-Scheuklappen? Aber hallo.

Was soll man hingegen über TRANSATLANTIC schreiben außer Superlative – vielleicht dass Roine Stolt heute ab und an danebengreift und dabei immer noch das Gros der Mitbewerber an der Klampfe aussticht? Egal, nach zu langer Umbaupause, für die man sich entschuldigt, hat es das Allstar-Projekt eilig: Kaum liegt der Opener ‘Into The Blue’ hinter ihm, bietet die wiederum mit Spock’s Beards beziehungsweise Enchants Sänger Ted Leonard verstärkte Band (großartiger Typ und genauso flexibel wie die krankheitsbedingt ausfallende Allzweckwaffe Daniel Gildenlöw) eine verdichtete Version ‘Whirlwind’ feil, und einmal mehr staunt man sowohl ob ihrer überragenden Musikalität als auch angesichts der einfach wunderbaren Stücke, egal wie kurz oder lang sie sind. ‘Shine’ und ‘We All Need Some Light’, beide zum Dahinschmelzen, zählen zu den wenigen Kitsch-Stücken, die eben kitschig sein dürfen, auch weil Neal Morse sie hat, die Melodien für Millionen. Gemeinsam mit Rampensau Mike Portnoy prägt er wie zu erwarten das Geschehen, und Schlagzeugtechniker dieses Mannes zu sein ist übrigens Schwerstarbeit: Mikrofon vorhalten, Hocker wieder aufstellen und so weiter. Wenn sich Neal und er die Bälle zuspielen beziehungsweise Drum-Sticks zuwerfen, während sie spielerische Kapriolen schlagen, bleibt Tieftöner Pete Trewawas der unauffällige, aber so wichtige Ruhepol. Das Ganze gerät deshalb mitunter knallhart und ist immerzu tight. Nach ‘Black As The Sky’ gehen die Musiker noch einmal

Transatlantic

weit zurück in ihrer Diskografie: ‘All Of The Above’ und ‘Stranger In Your Soul’ machen den Sack zu, ohne dass (naheliegenderweise, weil Festival) Jam-Sessions oder Coverversionen gebracht werden – ist vielleicht auch gar nicht so schlecht, mal eine “kompakte” Version der Combo live zu sehen, denn die Bandwurmgigs, für die sie berüchtigt ist, sind in erster Linie eine Angelegenheit für Die Hards. Insgesamt also: ein würdiger Headliner von Tag eins.

 Samstag, 19.07.

 Zwar sind SYNAESTHESIA noch halbe Kinder, doch musikalisch kann das, was die Briten zur Einstimmung am brutal sonnigen Samstagmittag bieten, mit wahrscheinlich der Jugend geschuldeten Abstrichen überzeugen: Viele Passagen innerhalb der Kompositionen der Band klingen formelhaft bis beliebig, gewissermaßen wie Malen nach Zahlen, abgeguckt von den großen Vorbildern, die neben der Neo-Szene im eigenen Land zum Teil bestimmt auch aus der härteren Sparte stammen. Kopf Adam Warne ist Multi-Instrumentalist und bedient live das trotz zweier Gitarristen sehr präsente Keyboard, ist aber ein arg blasser und zuweilen danebenliegender Sänger; Aktivposten und Bassist Peter Episcopo hat eigentlich sogar die bessere Stimme, wie er im Hintergrund beweist. Die Gruppe klingt nicht sonderlich orginell, mal wie Pink Floyd, dann wie Dream Theater, aber jeweils in “very light”. Nach dem einleitenden Instrumental ‘Noumenon’ folgen ‘Sacrifice’, ‘Epiphany’ und das langatmige ‘Good Riddance’, also praktisch Stücke des Debüts der Band in anderer Reihenfolge. Der eigentliche Opener ‘Time, Tension & Intervention’ folgt später, ‘Technology Killed The Kids’ in zwei Teilen wie auf dem Album vor dem Finale ‘Life’s What You Make Of It’. Die Band verweist auch auf ihr gerade 

Synaesthesia

entstehendes zweites Album (Song ‘Cloudburst’) und wird ihren Weg sicherlich weitergehen, denn bei solchem Jugendtalent (Warne ist gerade Anfang 20) ist noch eine Menge drin.Ob es ein Liebesdienst an IQ war, die Band zu buchen, weil sie bei deren Label Giant Electric Pea unter Vertrag steht, weiß man nicht, und bei aller Sympathie auch von Seiten der Zuschauer kann man froh sein, die Band eben nur zum Einstimmen gehört zu haben.

Ein ganz anderes Kaliber sind die Niederländer A LIQUID LANDSCAPE. Was auf ihren Einstand ab und an dahinplätschert, erweist sich live als großer Wurf zwischen Entspannung und konstruktivem Aufbegehren, gerade bei solcher Affenhitze. Vor allem sind die nicht uneingängigen Tracks der Band tatsächlich keine Sekunde zu lang, wie es im Post Rock (wenn man sie so nennen möchte und etwas späte Dredg hinzufügt – darauf läuft ihr Breitwand-Zeug letztlich hinaus) ansonsten häufig üblich ist. Sympathieträger Fons Herder, der Mann mit der glockigen Stimme, stellt die neue Platte “The Largest Fire Known To Man” vor, aber natürlich nicht nur: Das viertelstündige Titelstück von “Nighingale Express” markiert den Einstieg, ‘Phases’ und dort wie hier das letzte Stück ‘Secret Isle’ (traumhaftes Mitsing-Spiel dazu) folgen noch. Frisch sind dagegen der Videotrack ‘Open Wounds’, das feiste ‘Hurled Into The Sun’ und das sehr griffige ‘Drifting Star’ neben

A Liquid Landscape

dem Quasi-Titelstück ‘The Largest Fire’ und dem Opener ‘A Brief Moment Of Future’. Die Musiker aus Groningen gehen mit ihrer fragilen, aber auch kräftig austeilenden Musik wohl als Kompromiss für die gesetzte Klientel der Festivalbesucher durch und nehmen ähnlich wie der Bombe, die gleich folgt, den Platz ein, den Crippled Black Phoenix im vergangenen Jahr innehielten.

Die besagte Bombe heißt DREAM THE ELECTRIC SLEEP und kommt aus Kentucky. Ohne Plattenvertrag hat sie zwei tolle Konzeptalben veröffentlicht, deren aktuelles (“Heretics”) tatsächlich als Gratis-Download über die Bandcamp-Seite de s”Quartetts zu beziehen ist, doch welche Sogkraft die Band live entwickelt, hat wohl selbst der Insider nicht erwartet. Die Gruppe geht als klarer Sieger des Festivals von der Bühne, doch zuerst liefert sie einen Querschnitt ihres aktuellen Materials, das Ganze völlig unaffektiert, sichtlich begeistert und mit gebührendem Humor, vor allem von Schlagzeugtier Joey Waters. Das Charisma geht aber hauptsächlich von Frontmann Matt Page aus, der sich ebenso wie die Musik seiner Band insgesamt in keine Schublade stecken lässt. Von “Heretics” folgen dem Titelstück sich langsam hochschraubend ‘Elizabeth’, ‘Utopic’, ‘I Know What You Are’, ‘Fist To Face’, ‘How Long We Wait’ und das epische Ende ‘Ashes Fall’. Als man die Menge schon um den Finger gewickelt hat, macht man Schicht mit ‘Listen To Me’ und ‘This Is This’ vom Debüt “Lost And Gone Forever”. Davon abgesehen, dass Gitarrist Andrew Hibpshman dem Sänger von Gran Turismo Veloce (Claudio Filippeschi) Veloce) den Preis für die schönste Kombination aus Gesichts- und Kopfhaar des Festivals knapp abringt, wird es dringend Zeit, dass jemand diese Band unter Vertrag nimmt und aufbaut – denn das verdient sie wie wenige andere.

Wer nach so viel verhältnismäßiger Moderne vor den Kopf gestoßen ist, freut sich jetzt über die wieder zusammengekommenen CLEPSYDRA und deren programmatischen Neo Prog. Geboten wird weitgehend Standfußball, dies allerdings durchaus sympathisch, auch wenn die Band im Vergleich gerade zu der vorigen eher Beamtenrock spielt als auch nur für fünf Cent Arsch zu treten. Das ausgewogene Set bietet ‘The Missing Spark’ und ‘No Place For Flowers’ von “Fears” sowie ‘Tuesday Night’ und ‘Travel Of Dream’ von “Alone”, nicht zu vergessen das Titelstück der Scheibe. Das wohl stärkste Album und Debüt der Schweizer (“Hologram”) ist mit ‘4107’ vertreten, und “More Grains Of Sand” wird mit dem packenden Höhepunkt ‘Moonshine On Heights’ bedacht. Sänger Aluisio Maggini macht mit seiner ausdrucksstarken vieles wett, was musikalisch austauschbar klingt, sodass die Gruppe wohl berechtigterweise hier auftritt (auch ihrer anwesenden, überschwänglichen Fans wegen) – aber musste es so spät im Programm sein?DTES

Hinterher sollten die tollen Amerikaner BIGELF den ausgefallenen John Wesley und seine Band ersetzen, müssen aber letztlich selbst ersetzt werden, was so kurz vor knapp notwendig wurde, dass die 

Brian Cummings

Veranstalter nur noch das Beste daraus machen konnten: BRIAN CUMMINGS wurde kurzerhand angeheuert, um einen Solo-Auftritt mit Coverversionen zu improvisieren, was der urige Brite (aus der Genesis-Tributband Carpet Crawlers und von Mick Pointers Version von Marillion) sehr gut hinbekommt. Er mimt Fish sehr authentisch, vor allem aber Peter Gabriel, dem er unter anderem mit ‘Red Rain’, ‘Mercy Street’, ‘Biko’ und natürlich ‘Carpet Crawlers’ huldigt, ohne sich sklavisch an die Originale zu halten, was mit Akustik- und E-Gitarre sowie einem Looper, den der Solist sehr kreativ einsetzt, natürlich sowieso nicht möglich ist. Nicht nur, dass sich Cummings um Kopf und Kragen singt – nein, er holt das Optimum  aus seiner Zeit zudem mit viel Humor heraus, denn wie gesagt: Höhere Gewalt (gleichwohl: der Krankheitsgrund im Lager

Clepsydrader eigentlich gebuchten Band bleibt nebulös) hat die organisatorischen Pläne über den Haufen geworfen. Mehrere Hundert knapp anderthalb Stunden mit etwas zu unterhalten, das eigentlich gehobene Irish-Pub-Kost darstellt, obendrein mit eher nicht offensichtlichen Liedern, ist eine Kunst für sich.

Danach spielen ANATHEMA nicht den Gig ihres Lebens, aber einen atmosphärischen Auftritt mit einer Menge Mut zu neuem Material, das beim Publikum – zumindest den Bandfans darunter – noch nicht zur Gänze angekommen zu sein scheint. Beide Teile von ‘Untouchable’ dienen den fein herausgeputzten Musikern als Einstieg, wobei die Besetzung gleichgeblieben ist, aber über den Haufen geworfen wurde. Keyboards und Streicher kommen weitgehend aus der Konserve, falls Danny nicht gerade dahintersteht, und Daniel Cardoso trommelt (verflixt druckvoll übrigens), während der etatmäßige Drummer John Douglas “nur” zusätzliche Trommeln bedient. Das funktioniert aber super, gerade auch bei den experimentell elektronischen Tracks von “Distant Satellites”, die auf dem Album eher wie Fremdkörper anmuten als beim Konzert (das Titelstück ist ein Höhepunkt) und etwas Biss ins leicht auch Nummer sichergehende Set bringen. Weitere Neulinge sind ‘Anathema’ und ‘The Lost Song 3’, daneben gibt es Unverzichtbares wie ‘Thin Air’, ‘The Storm Before The Calm’, ‘A Simple Mistake’, ‘Closer’ und ‘A Natural Disaster’ mit der längst unerlässlich gewordenen Lee Douglas am zweiten Mikrofon. Den Zugabeteil bestreiten die wie üblich leidenschaftlichen Briten mit dem obligatorischen ‘Fragile Dreams’: nicht die beste Setlist – “Judgement” und “A Fine Day To Exit” werden leider komplett außen vorgelassen – aber die Herbsttournee kommt ja bald.

Wie um der in diesem Jahr inflationäre vertretenen Britprog-Klitsche (auch von Bands, die gar nicht von der Insel stammen) eine Lektion in Relevanz und würdevollem Alter zu demonstrieren legen MARILLION einen Gig der Sonderklasse hin, der eine haarsträubende Wirkung nicht nur auf nibelungentreue Fans ausübt. Sperrig wie tagesaktuell gestaltet sich die Eröffnung mit ‘Gaza’ bei düsterer Lichtshow, und Steve Hogarth mimt dazu den manischen Kämpfer für den Frieden (weiße Jacke, Beschwörungen auf einem Palästinenserschal sitzend). Nach

Anathema

diesem langen Gänsehautmoment wird aber klar, dass wir es nicht mit einer Betroffenheits-Band zu tun haben, sondern mit immer noch mutigen Musikern, und der zu gleichen Teilen von Stimme und Ausstrahlung lebende Sänger geht dabei eben in vielen Rollen auf, die er sich mit seinen Texten auf den Leib geschrieben hat. So folgen mit ‘Easter’ und ‘Beautiful’ zwei fast naive Stücke (hinterher gehört auch das “Holidays In Eden”-Doppel aus “No One Can’ und ‘Cover My Eyes’ zu dieser Kategorie), ganz zu schweigen von der ausgiebigen Kommunikation des Mannes (nebst Mengenbad und Glückwünschen zur Fußball-WM) mit dem Publikum. ‘Power’ und ‘You’re Gone’ von “Marbles” schlagen wieder ernstere Töne an, bevor die Ikonen beileibe nicht zum Best-Of-Programm mit Kalkül ausholen: ‘Fantastic Place’ (eher ein “Marbles”-Track aus der zweiten Reihe) und ‘Man Of A 1000 Faces’ (Das Titelstück von “This Strange Engine” ist später als Zugabe geplant, wird aber nicht gespielt, weil man strenge Zeiten einhalten muss) gehören nicht zum Konsens, der Titelsong von “Sounds That Can’t Be Made’ im Anschluss schon zweimal nicht, aber im Grunde genommen kann die Combo spielen, was sie will: Man frisst ihr aus der Hand, selbst bei den Fish-Rückgriffen ‘Kayleigh’, ‘Lavender’ und ‘Heart Of Lothian’, die wohlgemerkt nicht nach den 1980ern klingen, aber trotzdem an das fast legendäre “Live From Loreley”-Album denken lassen. Zugabe Nummer zwei eines Headliner-würdigen Gigs: die dritte “Murmel” ‘Neverland’.

Marillion

 

FAZIT: Es war wieder ein herausragendes Festival in dieser Saison, allein schon aufgrund seiner stilistischen Einzigartigkeit in Deutschland. Nächstes Jahr dann wieder eine ausgewogene Mischung, nicht ohne Hoffnungen von Seiten der Kundschaft, die Kinderkrankheiten zu beheben, und dem glorreichen Jubiläum steht nichts im Weg. Hoffentlich nehmen dann die Besucherzahlen auch zu ... und bloß weder eine zweite Bühne aufbauen noch Bands nach Genre-Ausrichtung auf die jeweiligen Tage aufteilen, denn das möchte niemand, oder?

Andreas Schiffmann (Info)

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