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Interview mit Anders Björler (05.11.2013)

Anders Björler

Im Hintergrund rumort es, als Anders Björler in der Fernleitung liegt, doch der Schwede mit dem Händchen für harte Hits wie bildhafte Instrumental-Mucke stellt sich unseren Fragen mit hoher Aufmerksamkeit und antwortet entsprechend ausführlich, womit er beweist, wie sehr ihm sein erster Alleingang am Herzen liegt.

Wann kam dir der Gedanke: Ich muss ein Soloalbum aufnehmen?

Ich fing an, Stücke zu schreiben, die mehr oder weniger dem Stil entsprachen, den man in meiner Musik für die Dokumentationen für THE HAUNTED und AT THE GATES hört. Als ich erstere verließ, hatte ich auf einmal sehr viel Zeit und ging relativ diszipliniert vor: Montagmorgen acht Uhr, aufstehen und hinsetzen, komponieren ... Zuerst entstand ein Intro, und während der folgenden Werktage der gesamte Rest, bis nach drei Wochen die Grundstruktur des Albums feststand. Dann ließ ich Dick hören, was ich aufgenommen hatte; er wohnt praktisch nebenan, also lag das nahe, und meinte schließlich, ich solle die Sachen ernsthaft ausarbeiten, denn es handelte sich ja nur um Demos mit Drumcomputer und so weiter. Dieser Stil ist mir strenggenommen auch zu eigen, wie man vielleicht bemerkt, wenn man sich mit meinem Schaffen über die Jahre hinweg befasst. Der Unterschied besteht nur darin, dass ich keine verzerrten Gitarren einsetze.

Weshalb das Konzept über den Mechanismus von Antikythera?

Im vergangenen Herbst sah ich einen Bericht darüber im Fernsehen, der mich faszinierte. Zugleich fand ich die Thematik irgendwie passend mit Hinblick auf die sehr offene Musik meiner Stücke. Man sucht ja immer zuerst nach Titeln, wenn man etwas schreibt, und vor dem konzeptionellen Hintergrund fiel mir das Finden eben leichter. Somit dürfte auch klar sein, dass ich mit der Scheibe nichts vertone, was mit Archäologie und dem ganzen wissenschaftlichen oder gar mystischen Überbau zu tun hat, denn sie war schon fertig, als ich diese Sendung sah. Ihr Inhalt brachte mich einfach nur auf die Namen für die einzelnen Songs, gleichwohl die Sache sehr interessant ist. Dies Titel sind zumindest chronologisch angeordnet, weshalb alles mit der Entdeckung des Mechanismus auf dem Meeresboden beginnt, woraufhin ich das Universelle der Astronomie und Mathematik andeute.

Wie hast du dann die einzelnen Bandmitglieder rekrutiert?

Na ja, es ist keine richtige Band; vielmehr habe ich mir herausgepickt, wer mir vorschwebte, wobei Dick den entscheidenden Ausschlag gab, da er Kontakte knüpfte. Morgan Ågren lag nahe, da wir in den MESHUGGAH-Jungs gemeinsame Freunde haben. Mit Peter Wiberg, einem sehr guten Freund, kam ich dann beim gemeinsamen Schwatzen über Musik querbeet ins Gespräch, angefangen bei Klassik über Jazz bis hin zu zeitgenössischem Kram. Den Rest der Mannschaft zog Dick aus seinen zahlreichen Nebenprojekten heran, und das Tolle daran ist, das sich alle irgendwie kennen oder schon einmal begegnet sind, weil sie gemeinsam eine Musikschule besuchten. Sie zeichnen in erster Linie für die jazzigen Parts verantwortlich.

Wie ist es zum Kontakt mit Anders und Razzia gekommen?

Wir trafen uns auf einer Hochzeitsfeier, wo ich ihm von der Musik erzählte. Später schickte ich ihm dann ein Demo zu, das ihm sehr gut gefiel. Er meinte dann, das Album mit seinem Label betreuen zu wollen, was mir sehr entgegenkam, weil ich Razzia für ihren Scheuklappen-freien Ansatz schätze. Die Scheibe wird auch auf Vinyl veröffentlicht.

Der sehr natürliche Klang hat mich angesichts der Abmischung von Tue Madsen überrascht, denn er gilt zumindest hierzulande nicht gerade als flexibler Tontechniker und Produzent ...

Genau deshalb wollte ich ihm hiermit eine Chance geben. Im extremen Metal ist es wirklich so, dass man seine Arbeiten schwerlich unterscheiden kann, aber ich wollte es darauf ankommen lassen und herausfinden, ob er es schafft, eher progressive, dynamische Musik mit Ambient-Parts richtig in Szene zu setzen. Das hat er getan, wobei ich finde, dass er nicht einmal im Ansatz nach seinen üblichen Geschichten klingt.

Welche Pläne hast du nun mit dem Album - live spielen?

Mir geht es in erster Linie darum, mir die Musik vom Leib zu schaffen, die ich mit mir herumtrage. Wenn sich bezüglich Auftritten etwas ergeben sollte, werde ich darüber nachdenken, aber es ist nicht mein Hauptanliegen, zumal ich die Beteiligten schwerlich unter einen Hut bekommen dürfte, wenn es um konkrete Termine geht. Wollte ich das Album authentisch auf die Bühne bringen, bräuchte über ungefähr zehn bis elf Musiker.

Weißt du, was gerade bei THE HAUNTED vor sich geht, und wie sieht es mit deinen Band-Aktivitäten aus?

AT THE GATES bleiben nach wie vor eine Spaß-Angelegenheit ohne Zwang und nur für Live-Gigs im Gespräch. Tomas hat eine Vollzeitstelle als Lehrer, und auch der Rest von uns ist anderweitig eingespannt, also nehmen wir, was kommt und zeitlich machbar ist. Das bereitet uns mehr Freude als je zuvor, auch weil wir älter und schlauer geworden sind, und das Gefüge ist wirklich sehr harmonisch, denn Druck hat man sich früher vor allem selbst gemacht. Außerdem lernen wir immer noch neue Länder kennen, beispielsweise Korea vor Kurzem, und morgen brechen wir zu einer Russland-Tour auf.

Wie passt es da ins Bild, dass du dich an der PAGANDOM-Reunion beteiligst?

Nun, die Band gehörte schon immer zu meinen Lieblingen hier aus der Gegend, also seit ich vor Urzeiten ihr erstes Demo hörte. Wir werden vorwiegend Festival-Shows spielen, aber mehr als das Auflebenlassen alter Zeiten steckt nicht dahinter. PAGANDOM sind nie über lokale Berühmtheit hinaus gelangt, obwohl sie starke Songs geschrieben haben und sehr tight waren, aber ich finde es schön, auf diese Weise an die alte schwedische Szene zu erinnern, zumal ja gerade ein Revival des frühen Death Metal im Gange ist.

Reizt es dich eigentlich nicht, innerhalb einer Band mal mit einem Sänger im klassischen Sinn zu arbeiten?

Wenn ich darüber nachdenke, könnte ich mir besonders gut vorstellen, etwas mit einer zerbrechlichen Frauenstimme zu versuchen, da mich Sängerinnen emotional stärker ansprechen. Wahrscheinlich werde ich mit meinen Solo-Sachen auch in eine solche Richtung gehen, wobei mir sehr klassische Sounds vorschweben, Musik im Stil der Sechziger vielleicht.

Zum Schluss: Was hörst du gerade privat?

GRIZZLY BEARs aktuelle Sachen gefallen mir gut, wobei ich noch kaum über den Song "Sleeping Ute" hinausgekommen bin, außerdem GRAILS und ihre Soundtrack-artige Musik und viele schwedische Prog Bands wie ANIMA MORTE oder MORTE MACABRE.

Passt - vielen Dank für das Interview und Glück bei allem, was du in Zukunft angehen wirst!

Andreas Schiffmann (Info)
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