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Ulver: The Norwegian National Opera (Review)

Artist:

Ulver

Ulver: The Norwegian National Opera
Album:

The Norwegian National Opera

Medium: DVD/Blu-ray
Stil:

Avantgarde

Label: kscope
Spieldauer: 88:15
Erschienen: 09.12.2011
Website: [Link]

Bis vor etwas mehr als zwei Jahren weigerten sich die norwegischen, als Black-Metal-Band gestarteten ULVER konsequent, live zu spielen. Gerade bei der oftmals visuellen Kraft, die die späteren Alben ab „Themes From William Blake's The Marriage Of Heaven And Hell“ im zerebralen Filmprojektor entwickelt hatten, musste man sich wundern und ärgern, wieso das Ausnahmegespann um Kristoffer Rygg (auch als Garm, Trickster G und God Head bekannt) nie die Bühnen der Welt geentert hat.

Nachdem sich die Herrschaften dann Anfang 2009 dazu überreden ließen, auf dem norwegischen Literatur Festival zu spielen, haben sie offensichtlich Blut geleckt, denn von da an gab die Band einige Konzerte, von denen die am meisten erwähnenswerten und auch ausverkauften die auf der Berliner Volksbühne, in der La Cigale in Paris und in der Queen Elizabeth Hall in London waren – und letztendlich auch der legendäre, auf der DVD befindliche Auftritt in der Norwegian Opera Hall in Oslo, welcher am 31. Juli 2010 stattfand.

Zuerst fällt auf, dass auf dem Bild- und Tonträger erst gar kein großes Trara um irgendwelche Extras gemacht wurde, sondern ausschließlich das Liveereignis enthalten ist. Die DVD wird eingelegt, und der einzige Auswahlpunkt ist „Witness“. Miterleben. Reduktion auf sich selbst, alles andere wird ausgeblendet. Und mal ehrlich, wer braucht denn bitte schön Extramaterial, wenn das Konzert so gehaltvoll ist, dass man danach erst mal alles in Ruhe sacken lassen möchte – die Gedanken möchten erst einmal hinabgleiten wie die Schneeflocken in einer Schneeglaskugel. Denn fast eineinhalb Stunden lang bieten die Skandinavier, mit Gastmusikern und einem Performancekünstler verstärkt, die Essenz dessen, was Musik als Kunstform ausmacht, und das mit einem Ereignisreichtum und derart viel Musikalität, dass dem Zuschauer und Zuhörer beinahe die Luft wegbleibt.

Die ersten Minuten beginnen damit, dass eine Puppe (?) herabhängt, aus deren Mund kontinuierlich Blut fließt – hierzu gibt es mystisches Gewaber in absoluter Finsternis. Da fragt man sich nach mehreren Minuten des Auf­die­puppe­mit­frage­zeichen­starrens natürlich erst einmal, was das denn nun soll. Doch dann geht es los mit den ersten Stücken, und was die nächsten paarundachtzig Minuten geschieht, kann man nur schwer in angemessene Worte fassen, denn hier gibt es dermaßen viel Eindrücke zu verarbeiten, dass man mit der erzählerischen Wiedergabe durchaus ins Straucheln gerät.

Großzügig instrumentiert lässt die Gruppe einen Großteil ihrer musikalische Geschichte der Marke „ULVER 2.0“, sprich ab 1998, Revue passieren, und das wird live zu einem wahren Spektakel. Die Performance ist perfekt, der Sound ist mithilfe des nachträglichen Mixings ebenso tadellos, und dank sechs HD-Filmkameras wird viel für das Auge geboten, sowohl hinsichtlich der Qualität als auch der visuellen Quantität. Die Musiker selbst agieren meist introvertiert, nein, eher hochkonzentriert und mit der Musik eine Entität bildend. Doch immer wieder gibt es diese explosiven, exzessiven Momente, die wie audiovisuelle Kanonenschläge durch die Schädelknochen donnern. Und dann sitzt man nur da, reibt sich die Gänsehaut weg und denkt: „Boah...“

Raffiniert wird das Licht eingesetzt, Lichtsäulen auf dem Bühnenboden sorgen für zusätzliche Effekte, und auf einer großen Leinwand hinter der Bühne werden schnell geschnittene, zur Songthematik passende Videosequenzen gezeigt, die mit der musikalischen Komponente regelrecht interagieren – dazu gehört auch Blut, Gewalt und Sex, und all das wird schonungslos auf die Zuschauer in der Halle abgefeuert. Und es ist faszinierend, wie erstarrt und gebannt jeder einzelne der dort anwesenden Gäste das Treiben auf der Empore beobachtet. In Manchen Momenten ist es gespenstisch still, und es ist beinahe greifbar, wie die Sinne des Publikums fokussiert und geschärft sind, hungrig nach dem nächsten Ereignis. Hierbei soll erwähnt sein, dass auf der DVD noch zusätzlich mit Farb-Schwarzweißkontrasten gearbeitet wurde, was einige Schlüsselszenen des Konzertes noch einmal akzentuiert.

Doch egal, wie viel geschieht, so wirkt das Konzert nie musikalisch oder visuell überladen, und das ist ein wahres Kunststück, zumal die Musik ULVERs ja nun auch nicht gerade arm an Einflüssen ist. Jazz, Drone, Ambient, Metal, Rock, Post Rock, Noise, Experimental, Klassik symphonischer und kammermusikalischer Natur, Electronica, Filmscores – all das wird zu einer dynamischen Gesamtheit verschmolzen, die vereinnahmend, beklemmend schön, Emotionen aufwirbelnd und höllisch intensiv ist. Faszinierend daran ist, dass ULVER nie prätentiös oder pathetisch agieren. Stattdessen erscheint alles so selbstverständlich, die Musik fließt durch die Körper der Musiker in deren Instrumente wie das Blut durch die Adern. Und wisst ihr, was schön ist? Dass Rygg und Co. seitdem immer wieder einmal ein paar Shows spielen. Es kann also durchaus möglich sein, irgendwann einmal selbst Teil des Spektakels zu werden.

FAZIT: Mit „The Norwegian National Opera“ haben sich ULVER nicht nur ein Denkmal gesetzt, sondern bieten dem Fan etwas, dessen ideeller Wert eigentlich mit keinem Geld der Welt aufzuwiegen ist.

Der limitierten DVD- plus BluRay-Edition liegt übrigens ein 32-seitiges Hardcopy-Digibook bei.

Chris Popp (Info) (Review 7061x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • The Moon Piece
  • Eos
  • Let The Children Go
  • Little Blue Bird
  • Rock Massif
  • For The Love Of God
  • In The Red
  • Operator
  • Funebre
  • Theme From 'Silence Teaches You How To Sing'
  • A Memorable Fancy (Plates 16-17)
  • Hallways Of Always
  • England
  • A Cold Kiss (Porn Piece Pt. 2)
  • Like Music
  • Not Saved
  • The Leg Cutting Piece

Besetzung:

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