Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Funin: Unsound (Review)

Artist:

Funin

Funin: Unsound
Album:

Unsound

Medium: CD
Stil:

Avantgarde / Experimental Jazz

Label: Karisma Records
Spieldauer: 49:43
Erschienen: 28.11.2011
Website: [Link]

Dissonanz. Inkohärenz. Fragilität.
Unsound.

Hier werden Sandgebäude erschaffen, die nicht für die Ewigkeit bestimmt sind. Mit der ersten Welle werden sie wieder dem Erdboden gleichgemacht. Aber der Erschaffer lässt seine Formen unbeirrt weiterarbeiten, in dem Wissen, dass seinen Kreationen ohnehin nur wieder Zerstörung bevorsteht.

FUNINs Debüt hat also keine feste Form, keinen eindeutigen Charakter. Referenzen könnte man zu Hunderten aufzählen, wenn man wollte; die wilde Aufzählung von Genres und vergleichbaren Bands im Promoschreiben wirkt beliebig und stichprobenartig. Der Opener und Titeltrack setzt mit scheppernder Percussion, einem kurzwellig wiederholten Mainriff und hemmungslosen Chören eine ähnlich animalisch-rituelle Kraft frei, wie man sie von GOBLIN kennt, vermengt mit ein wenig THE FLIGHT OF SLEIPNIR. So intensiv diese spezielle Atmosphäre aber auch ausgekostet wird, Bestand hat sie nicht: Mit „Everything“ lässt man ohne Vorwarnung ein Amalgam aus symphonischem Post Prog und Indie-Pop folgen, ohne Rücksicht auf die, die sich im ersten Stück vielleicht gerade erst heimisch gefühlt hatten. Mann und Frau singen im Duett, er im COLDPLAY-Modus, sie mit schiefertafelhellem Gesang, der bald darauf eine märchenhafte Wandlung erlebt: Der symphonische Streicherhintergrund bleibt, der Rest verwandelt sich in relaxten Smooth Jazz. Arielle-Unterwasserflair, der nun ausnehmend weibliche Gesang kommt inzwischen Agnete M. Kirkevaag gleich, die bei MADDER MORTEM die Stimmgabel schwingt – insbesondere, als die Streicher plötzlich markante Riffstrukturen annehmen, wie sie bei dem Doom-Prog-Metallern mit tiefgestimmten E-Gitarren erzeugt werden. Und dann wird sie auf „Tornado“ unter Rückgriff auf kauzige TOM-WAITS-Grooves (die später für „Rocking Chair“ zurückkehren) zur BJÖRK – überdeutlich, wie eine Replika.

Und sieh an, das BJÖRK’sche endlich überlebt einen Wellensturz und hält sich noch eine Weile länger, auch wenn ihr Königreich einmal mehr von der See hinfortgetragen wird. Verschwommenes Bassgeblubber, unscharf, ohne Fokus, melancholisch, alles ist Eins. Wir sind wieder unter Wasser, die Arielle-Chöre sind zurück. Trip-Hop-Beats malen in „Inch Of Me“ Luftblasen, die zur Oberfläche streben; einmal oben angekommen, entwickeln sie sich zu schnellen Tribal-Grooves, die von Flöten begleitet werden, während sich Celli gegeneinander aufwiegeln. Noch nicht genug des BJÖRKsinns, knüpft „Indestructible“ mit mündlich geformten Harmonien direkt und uverblümt an „Medúlla“ an. „Machine“ ist NIN-Industrialisierung im zurückhaltenden Rahmen, „Skywalkers“ der verträumte Abschluss, der die totale Fokussierung auf den Sonnenuntergang am Horizont des Meeres jedoch durch exotische Schrägheiten wie ein kratzendes Cello verhindert. Pop trifft Avantgarde.

Die schnelle Abfolge von Aufbau und Zerstörung lässt ein Eintauchen in die hochgradig experimentalistische Welt der Norweger natürlich nur bedingt zu; zwar ist jede neu erschaffene Etappe über kurz oder lang auf die Denkweise des Septetts zurückführbar, dieses lässt jedoch nie zu, dass die einzelnen Ideen aufeinander aufbauen. Anstatt ein Bild weiter auszudefinieren, greift man sich lieber ein leeres Blatt Papier und beginnt neu. Das ist Fluch wie Segen zugleich; so bleiben FUNIN immer unberechenbar und überraschend, sind aber nur schwer greifbar.

FAZIT: Einem speziellen Sound nachzuhängen, kann ein schönes, befriedigendes Gefühl sein. FUNINs Baustelle ist das nicht: Mit „Unsound“ legen die Norweger ein Debüt vor, das dem Hörer kurzzeitig Refugien vorgaukelt, sie aber noch im Aufbau begriffen wieder abreißt. Doch obwohl die Identität gerade mal so greifbar ist wie Dunst im Morgennebel, Langeweile aufgrund von Ziellosigkeit entsteht zu keinem Zeitpunkt. Irgendwo tief verborgen muss er also leuchten, der rote Faden…

Sascha Ganser (Info) (Review 5085x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Unsound
  • Everything
  • Wonderland
  • Tornado
  • Last Day
  • Inch Of Me
  • Indestructible
  • Rocking Chair
  • Machine
  • Skywalkers

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier bellt?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!